Eintagsfliegen bestimmen (1)

Lohnt sich eigentlich der Aufwand, sich mit den Insekten seiner bevorzugten Gewässer auseinanderzusetzen? Die knappe und eindeutige Antwort lautet ja. Ich werde Ihnen nun ein paar Argumente nennen, die tatsächlich dafür sprechen, sich nicht einfach am Wasser irgendeinen Fussel vorne anzubinden, sondern vielleicht einen kleinen Augenblick Zeit in die richtige Fliegenwahl zu investieren.

Grundsätzlich leben in einem intakten Gewässer mehrere Arten von Insekten und jede Art bringt ihre Eigenenarten mit sich. Da gibt es aktive Schwimmer, Krabbeltierchen, manche halten sich lieber in ruhigen Gewässerabschnitten auf, andere lieben die starke Strömung. Manche Insekten kann man fast das ganze Jahr über antreffen, andere nur im Frühling oder Herbst. Glauben Sie nicht, es könnte von Vorteil sein, wenn Sie zumindest grob wüssten, welche Insekten sich gerade auf welche Art und Weise an welchen Stellen im oder auf dem Wasser bewegen? Glauben Sie nicht, es könnte realistischer wirken, ein aktiv schwimmendes Insekt auch als solches zu führen? Ich vermute, Sie stimmen mir zumindest in Teilen zu.

Die Familien Caenidae und Baetidae

Bevor ich loslege, möchte ich ein paar Begriffe klären, nämlich die der Ordnung, der Familie, der Gattung (und der Art). Meistens werden nur die beiden letzteren genannt (z.B. baetis rhodani). Ich möchte dennoch mit dem Begriff der Famillie starten, da diese bereits eine grobe Unterteilung liefert und relativ einfach zu bestimmen ist. Ich setzte an dieser Stelle übrigens voraus, daß der Leser bereits eine Eintagsfliege (Ordnung: Ephemeroptera) von einer Fruchtfliege oder Mücke unterscheiden kann.

Mit Hilfe zweier relativ einfach zu erkennender Merkmale lassen sich die Eintagsfliegen bereits grob in die wichtigsten Familien einteilen. Da wäre einmal die Anzahl der Schwanzfäden, also zwei oder drei und zum anderen die Anzahl der Flügel, nämlich zwei oder vier. Bei den Flügeln muß man zum Teil recht genau hinschauen, da gerade die Familie der Baetidae sehr kleine Hinterflügel aufweist, so daß man diese leicht übersehen kann. Was übrigens bei der Bestimmung der Familie gar nicht so schlimm wäre, denn ein Insekt mit vier Flügeln, von denen Sie zwei kaum erkennen gehört dennoch zur Familie der Baetidae.

Bei der Bestimmung sollten Sie übrigens versuchen ein möglichst unversehrtes Insekt zu untersuchen, denn es kann durchaus mal einer der Schwanzanhänge verloren gehen.

Anzahl FlügelAnzahl SchwanzanhängeFamilieGattung
22BaetidaeCloeon
23CaenidaeCaenis
42Heptageniidae
Siphlonuridae
Baetidae
weitere
Merkmale
nötig
43Ephemeridae
Ephemerellidae
Leptophlebiidae
weitere
Merkmale
nötig

Die ersten beiden Familien sind offensichtlich nicht sonderlich groß, somit ist mit ihrer Bestimmung auch gleich die Gattung festgelegt. Zur Artbestimmung muß allerdings bei fast allen Eintagsfliegen ein deutlich größerer Aufwand betrieben werden. Für die Praxis kann man zunächst ruhig auf die Artbestimmung verzichten, die Gattung reicht völlig aus um das Verhalten der Tiere nachzuahmen.

Schauen wir uns einmal das nachfolgende Bild einer Eintagsfliege an. Wir erkennen zwei Schwanzanhänge und vier Flügel, von denen die beiden hinteren jedoch recht klein ausfallen. Laut Tabelle kommen hier nur drei Familien in Frage, genaugenommen kann man sich hier bereits aufgrund der kleinen Hinterflügel auf die Familie Baetidae festlegen. Um eine tiefergehende Zuordnung vornehmen zu können, bietet sich im nächsten Schritt eine Betrachtung der Flügel an. Hier auf dem Bild erkennt man neben den Längsadern zusätzliche Zwischenraumadern, die am Flügelrand auftreten. Diese stellen ein typisches Merkmal für alle Mitglieder der Familie Baetidae dar!

Eintagsfliege der Gattung Baetis (Wikipedia)

Bei der Gattung Baetis kommen diese Zwischenraumadern zudem immer paarweise vor. Zusätzlich erkennt man, daß die im Bild markierte Längsader (Media) nicht gegabelt ist. Die kleinen Hinterflügel besitzen keine oder nur sehr wenige Längsadern.
Bem.: Die großen Turban-förmigen Augen deuten auf ein Männchen hin.

Neben der Gattung Baetis gibt es noch die Gattung Centroptilum, deren Hauptflügel sehr ähnlich aussehen. Jedoch fallen bei ihr die Zwischenraumadern nur einfach aus und die wirklich „sehr“ kleinen Hinterflügel ähneln einer kleinen Haifischflosse mit zwei Längsadern. Vielmehr ist zur Familie der Baetidae, zumindest dem Teil mit vier Flügeln nicht zu sagen. Die dritte Gattung Cloeon besitzt nämlich keine Hinterflügel.

Zusammengefasst kann man sagen: Zwei Flügel (oder vier, von denen man zwei kaum sieht) sowie zwei Schwanzanhänge und man hat es mit der Familie Baetidae zu tun.

Findet man am Wasser eine Eintagsfliege mit nur zwei Flügeln, jedoch drei Schwanzanhängen, dann gehört das Insekt zur Familie Caenidae und da diese nur aus einer Gattung besteht, sind wir auch gleich fertig!

Eintagsfliege der Gattung Caenis

Verhalten im Wasser

Jetzt kommen wir zu dem fischereilich interessanten Teil. Wie verhalten sich die Insekten der hier vorgestellten Eintagsfliegen und wie hilft uns das bei der Imitation?

  1. Familie Baetidae:
    Die Mitglieder dieser Familie gehören im Nymphenstadium zu den Schnellschwimmern. Diese halten sich meist im ruhigeren Grenzbereich zu schneller fließendem Wasser also an den Strömungskanten und im Strömungsschatten von Steinen auf. Durch ruckartiges Ausstoßen von Atemwasser aus dem Enddarm schießen sie in kleinen Schüben vorwärts. Immitieren lassen sich die Bewegungen entsprechend durch kurze ruckartige Bewegungen mit der Rutenspitze oder durch einstrippen der Schnur. Kurz vor dem Schlupf schießen die Nymphen scheinbar unkontrolliert hin und her, bevor sie sich in die schnellere Strömung begeben und mit ihr Richtung Oberfläche bewegen.
  2. Familie Caenidae:
    Die Nymphen der Gattung Caenis gehören zu den Schlammkriechern und wirken eher träge. Sie bewegen sich eher im ruhigeren strömungsarmen Bereichen und sind keine guten Schwimmer. Immitieren lassen sich solche Nymphen ähnlich wie bei Steinklammerern durch einfaches Abtreiben lassen.

Literaturempfehlung

Den dicken Schinken Entomologie für Fliegenfischer hat vermutlich jeder zweite Fliegenfischer im Regal stehen, nur kenne ich kaum jemanden, der das Buch tatsächlich gelesen hätte.

Ein wirklich brauchbares, relativ kompaktes und vor allem gut zu lesendes Buch lautet „Insektenkunde für Fliegenfischer“ von Jürgen Schrodt. Ein Großteil meines Verständnisses über das Thema habe ich in diesem Buch gesammelt.

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