Fliegenschnüre

Weight Forward (WF), Double Taper (DT), und viele andere

Diesen ganzen Kram um Schnurklassen, Taperformen, Sinkraten, etc. empfand ich anfangs als nahezu undurchschaubar. Ich möchte also mal versuchen ein wenig Licht ins Dunkle zu bringen.

Kurzum gibt es eigentlich nur einen Zweck, den die Fliegenschnur erfüllen soll, nämlich den nahezu gewichtslosen Köder dem Fisch direkt vors Maul zu legen. Dummerweise geht es genau an dieser Stelle los, denn der Fisch befindet sich nicht immer an der gleichen Stelle und der Köder hat nicht immer die gleiche Form und Größe!

Genau deswegen gibt es für jede erdenkliche Kombination aus verwendetem Köder, Entfernung zum Fisch, Tiefe des Fisches, usw. die „perfekte“ Fliegenschnur 😉 … Na, schlauer als vorher?

Beispielsituation

Ok, straffen wir das ein bißchen zusammen. In der Regel wird es bei den meisten Fliegenfischern so aussehen, daß sie einen Großteil ihrer Zeit das gleiche Gewässer oder zumindest den gleichen Gewässertyp und den gleichen Zielfisch beangeln werden. Gesucht ist also für die jeweils typische Situation eine Schnur, die möglichst einen Großteil der entstehenden Situationen gut abdeckt. Ich versuche es mal anhand eines Beispiels:

Ich angel die meiste Zeit an einem typischen Mittelgebirgsfluß von etwa 10m bis 20m Breite. Das Wasser geht einem beim Waten manchmal knöcheltief, manchmal bis zur Hüfte, die meiste Zeit aber irgendwo dazwischen. Die Köder, die von mir präsentiert werden, sind zu 70% Nymphen, selten Streamer und wenn möglich kommt die Trockenfliege zum Einsatz. Wie wähle ich also unter diesen Randbedingungen eine Schnur aus?

  1. Schwimmend oder sinkend? Bei hüfttiefem Wasser könnte eine „Sinkschnur“ Vorteile bringen, die „Schwimmschnur“ wäre aber hier im Beispiel als Allrounder zu bevorzugen. Bedenken Sie, daß dank des Vorfaches immer noch die Möglichkeit besteht den Köder unter Wasser zu bringen.
  2. Typische Wurfweiten liegen bei diesem Gewässer bei 10m – 15m selten auch mal bei 20m. Eine sanfte Präsentation ist bei Nymphen und Streamern nicht (soooo) wichtig, deswegen darf die Fliegenschnur durchaus auf den ersten paar Metern etwas massiver sein, dadurch lassen sich dann auch (schwere) Streamer noch passabel auswerfen.

Die benötigte Schnur sollte also schwimmend sein (Kürzel: F – Floating) und das Gewicht der Schnur sollte bereits auf den ersten Metern der Schnur merklich in Erscheinung treten (Kürzel: WF – Weight Forward). Aufgrund der meist geringen Wurfweiten sollte die Keule eine Länge von 7m – 10m haben. Oftmals verwenden die Hersteller bereits Bezeichnungen wie XYZ Stream oder XYZ Creek. Es ist nicht die schlechteste Idee, sich an einem entsprechenden Taper zu orientieren.

Schaut man sich nun im Internet nach einer passenden Schnur um, wird man von der Vielzahl erschlagen. Dabei unterscheiden sich die Schnüre, wenn man sich für schwimmend oder sinkend entschieden hat, im Detail nur noch dadurch, wie das Gewicht der Schnur verteilt ist. Grob unterteilt werden die Schnüre in (WF – Weight Forward) und (DT – Double Taper). Für unser Beispiel bräuchten wir eine WF-Schnur, bei den Produktbeschreibungen findet man oftmals eine schematische Darstellung der Gewichtsverteilung. Hier reicht der gesunde Menschenverstand, gepaart mit etwas physikalischem Sachverstand meistens aus um für seine Situation eine vernünftige Wahl zu treffen.

Verallgemeinerung und Entscheidungshilfe

Grundsätzlich kann man davon ausgehen, daß die Präsentation eines Köder umso sanfter verläuft, desto dünner die Spitze (front taper) der Fliegenschnur ist. Hier ist es völlig egal, ob es sich um eine (DT) oder (WF) handelt, da beide durchaus auf den ersten Metern gleich aufgebaut sein können.

Weiter kann man davon ausgehen, daß eine Schnur, die viel Gewicht auf die ersten Meter verteilt besser geeignet ist, schwerere Köder zu werfen.

Man kann also verallgemeinert sagen, daß je nach Gewichtsverteilung (Taperaufbau), die Schnur für irgendeinen bestimmten Anwendungsfall besonders gut geeignet ist, gleichzeitig erkauft man sich damit aber auch immer eine Beeinträchtigung in einem anderen Bereich.

Tapervergleich

Vergleichen wir einmal die beiden folgenden Schnüre miteinander:

  1. LOOP – Opti Stillwater (WF)
  2. RIO – Technical Trout (DT)

Vorne an der Fliegenschnur befinden sich in der Regel nocheinmal 3m – 4m Vorfachmaterial, so daß sich diese beiden Schnüre bei Wurfweiten bis etwa 12m vermutlich in keiner Weise unterscheiden werden (gleiche Masse vorausgesetzt). Der Aufbau des Tapers (Gewichtsverteilung) ist bei beiden Schnüren sehr ähnlich!

Betrachten wir nun die RIO – Single Handed Spey und die Guideline Fario Reach. Bei der RIO befindet sich der schwerste Teil der Schnur am hinteren Ende der orangefarbenen Keule. Die Spitze hingegen läuft nach vorne hin relativ schmal aus. Die schmale Spitze wird für relativ feine Präsentationen geeignet sein, mit schweren Fliegen dürfte es allerdings nicht so einfach werden. Die Konzentration des Schnurgewichtes ans Ende der Keule ermöglicht ein einfaches Aufladen der Rute z.B. beim Rollwurf, da sich dieses Gewicht entsprechend innerhalb des „D’s“ befindet.

Die Guideline unterscheidet sich ehrlich gesagt nur marginal von der RIO, wobei die eine Schnur als ideale Spey-Cast-Schnur verkauft wird, die andere hingegen soll ideal für die Forellenjagd am See geeignet sein.

Kurzum, eine grobe Vorstellung von dem was eine Schnur leisten soll, sollte man haben, man muß aber sicherlich keine Doktorarbeit daraus machen! In der Regel reicht ein “einfaches“ Taper, wie das erste bzw. letzte völlig aus. Vielmehr Einfluß auf das Ausbringen des Köders hat die Wurftechnik.

Konkrete Schnurempfehlungen

Nun möchte ich ein paar Schnüre für verschiedene Einsatzzwecke empfehlen. Sie sollen als grobe Orientierung für Einsteiger dienen.

Salmoniden im Bach oder kleinen Fluß

Die Schnurklasse sollte zwischen #3 und #5 liegen, je nachdem ob man mehrheitlich leichte oder schwere Köder transportieren möchte. In der Regel wird man mit einer Schwimmschnur die meisten Situationen abdecken können.

Das Taper der LOOP Opti Drift ist typisch für diese Art zu angeln. Der relativ kurze Kopf erlaubt das Laden der Rute bereits bei kurzen Würfen. Würfe mit Wasserkontakt sind mit diesem Taper ebenfalls gut machbar, da das Gewicht zum Ende der Keule hin zunimmt.

Häufig wird Anfängern geraten die Schnur eine Rutenklasse höher als nötig zu wählen, weil dies das Werfen vereinfachen soll. Ich persönlich tue mich mit diesem Ratschlag schwer, da die meisten Schnüre bereits vom Hersteller ein bis zwei Schnurklassen übergewichtet werden!

  • LOOP – Opti Drift
  • Guideline – Control 3.0 oder Presentation

Karpfen im See oder großen Fluß

An einem See oder Fluß, wo man evtl. vom Ufer aus angeln muß und man häufig Bäume oder Sträucher hinter sich hat, wird man viel mit einem Rollwurf arbeiten müssen. Als Köder kommen Brotfliegen oder Nymphen in Frage, d.h. die Schnur muß keine schweren Köder transportieren. Hier bieten sich somit DT-Schnüre oder WF-Schnüre mit entsprechend längerer Keule an. Schnurklassen zwischen #6 und #9

  • Guideline – High Water Evolve

Hecht in größeren Gewässern

Der Hecht verlangt häufig größere Köder, womit man sich automatisch den größeren Schnurklassen #9 oder #10 zuwenden muß. Größere Gewässer bieten häufig ein größeres Spektrum an Wassertiefen, so daß man hier mit einer Schwimmschnur alleine nicht sehr weit kommt. Hier bieten sich sogenannte Schußköpfe an, das sind vom Prinzip her WF-Schnüre, jedoch sind Running-Line und der eigentliche Schnurkopf getrennt voneinander. Je nach Situation wird also einfach der Kopf der Schnur ausgetauscht und man kann dann zwischen „schwimmend“, „langsam sinkend“ bis hin zu „sehr schnell sinkend“ wählen und so verschiedene Wassertiefen beackern. Auch bei der Hechtangelei wird man mit einem WF-Taper in den allermeisten Fällen auf der richtigen Seite sein.

  • Guideline – Predator
  • Rio – Outbound Short Shooting Head

Statt eines Schußkopfsystems kann man natürlich auch drei verschiedene Ersatzspulen mit entsprechenden Vollschnüren bespulen.

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